Insolvenz in Eigenregie – Haushaltsrede Jürgen Schmidt 2023
Haushaltsrede 2023 der SPD-Fraktion
Jürgen Schmidt, Fraktionsvorsitzender
- März 2023, Rat der Gemeinde Kürten
Es gilt das gesprochene Wort
Herr Bürgermeister Heider, Frauen und Männer im Rat, Bürgerinnen und Bürger Kürtens,
als Ergebnis in den nächsten vier Haushaltsjahren plant die Verwaltung einen Verlust von 6,9 Mio€. Ich wiederhole 6,9 Mio€ Verlust in vier Jahren.
Und Achtung! – Abschreibungen und Zinsen für die Sanierung der Gesamtschule haben bis 2026 noch kaum einen Einfluss. Nach Abschluss der vollständigen Sanierung würde aber dadurch der Haushalt pro Jahr mit ca. 4 Mio€ zusätzlich belastet – die Situation also immer dramatischer!
Ohne die gesetzlich erlaubten Schönrechnereien für die Corona-Kostenabgrenzung mit 3,8 Mio€ und den globalen Minderaufwand mit 1,7 Mio€ würde der 4-Jahres-Verlust sogar 12,4 Mio€ betragen.
Die Ausgleichsrücklage Ende 2022 von rd. 10 Mio€ wäre ohne diese erlaubten Bilanzierungstricks im HH-Jahr 2026 aufgebraucht.
Ein Unternehmen bekäme in der Situation keinen Kredit mehr und der Geschäftsführer würde auf eine Insolvenz zusteuern. Der Volksmund sagt dazu, die Pleite droht!
Zumal, da der Geschäftsführer, hier die Verwaltung, keine Ideen oder Vorschläge hat, wie das Desaster abgewendet werden kann.
Die gute Nachricht ist:
Wir wissen, Kommunen gehen ja nicht pleite, sondern quasi pleite und das heißt dann Haushaltssicherung!
Das ist dann in Teilen ähnlich einer Insolvenz in Eigenregie.
Laut Trapattoni: Flasche leer!
Was ist zu tun!
Herr Bürgermeister, Frauen und Männer im Rat, sowie Zuhörende,
es zeigen sich die Strukturprobleme Kürtens wieder, welche die letzten Jahre, wie auch Jahrzehnte vorher, verdeckt wurden durch mangelnde Investitionen in unsere Infrastruktur.
Man kann es kaputtsparen nennen oder auf absoluten Verschleiß fahren, das Ergebnis ist am Schluss das Gleiche!
Kürten hat einen Investitionsstau von deutlich über 100 Mio€. Der dickste Brocken ist die Komplett-sanierung der Gesamtschule mit 78 Mio€.
Nachdem die SPD-Fraktion seit Jahren in jeder Haushaltsrede und mit Anträgen eine 10-Jahres-Planung fordert, hat sich die SPD-Fraktion entschlossen, die von der Verwaltung als sehr aufwendig und völlig ungenau bezeichnete Arbeit, selbst durchzuführen.
Und oh Wunder – nach nur einem Arbeitstag stand ein variabel zu nutzendes und rechnendes Excelszenario in der alle uns bekannten und in der Vergangenheit unterlassenen und jetzt nicht mehr aufschiebbaren Investitionen in einer Übersicht der nächsten 10 Jahre zur Verfügung stehen.
Auch die Auswirkungen auf das Ergebnis und die notwendigen neuen Darlehen, sprich die Neuverschuldung der Gemeinde, sind errechnet.
Unser neuer Kämmerer, Sven Schmidt, hat sich dann des SPD – Rechenmodells ebenfalls angenommen und seine besseren Detailkenntnisse und die Haushaltsjahre 2023 – 2026 abgestimmt hinzugefügt.
Damit stehen jetzt zwei voneinander abweichende Szenarien zur Diskussion.
Die SPD-Fraktion hatte vorgeschlagen, diese Erkenntnisse mit in die Haushaltsplanberatungen aufzunehmen und zumindest einen ersten Meinungsaustausch im nicht-öffentlichen Teil des letzten HFA vor der heutigen Verabschiedung durchzuführen.
Dies wollten die Verwaltung und die anderen Fraktionen nicht. Vertagung in den nächsten HFA am 19. April.
Nach den Verlusten bis 2026 werden die Jahre danach noch mal schwieriger!
Wie schwierig diese Jahre werden, ergibt sich daraus, ob wir in einem Jahr dem 2. und / oder auch dem 3. Bauabschnitt der Gesamtschulsanierung zustimmen.
Die Folge wären jährlich mehr als 2 Mio€ Zinsen und zwischen 1,5 bis 2 Mio€ Abschreibungen, also wohl möglich dann ab 2028 mehr als die Verdoppelung der Verluste pro Jahr.
Männer und Frauen im Rat,
es stünde uns gut an, wenn wir uns ab jetzt bis Herbst diesen Jahres intensiv mit der 10-Jahres-Planung auseinander setzen und Prioritäten in der Abfolge und Notwendigkeit der Investitionen treffen.
Erstes Fazit: Die Gemeinde hat ein eklatantes Strukturproblem!
Aber zurück zu den nächsten vier Jahren!
Im HHPlan werden zusammengefasst folgende Investitionen geplant:
Hochbau ohne Gesamtschule rd. 11 Mio€, davon 6,6 Mio€ für die Feuerwehrgerätehäuser Olpe und Dürscheid und 1,2 Mio€ Flüchtlingsunterkünfte
Tiefbau, also Straßensanierungen mit rd. 18 Mio€
Andere Investitionen rd. 11 Mio€, davon 3,6 Mio€ Maschinen und Fahrzeuge und rd. 3,6 Mio€ Straßenbeleuchtung.
Alles zusammen ohne Gesamtschule rd. 40 Mio€ oder im Durchschnitt pro Jahr 10 Mio€
Schauen wir uns mal die Realitäten der letzten beiden Jahre an.
Es wurden 1,4 Mio€ im Hoch- und Tiefbau und 2,4 Mio€ bei den anderen Investitionen realisiert.
Dies bedeutet die Verfechsfachung pro Jahr die nächsten 4 Jahre!
Damit die SPD-Fraktion nicht missverstanden wird!
Bei allem Fleiß und Einsatz der Mitarbeitenden in der Verwaltung:
Woher sollen die Kapazitäten kommen, das alles zu schaffen?
Die Verwaltung sagt uns, die letzten Jahre habe man sich auf das Straßensanierungskonzept konzentriert und jetzt sei alles vorbereitet und außerdem kämen zwei neue Mitarbeiter!
Die SPD-Fraktion hört dies, aber allein, uns fehlt der Glauben, so notwendig die Bewältigung des Investitionsstau auch ist.
Entweder brauchen wir kaum zu bekommendes zusätzliches Personal oder wir schaffen die Investitionen nicht.
Zweites Fazit: Die SPD-Fraktion hält die Investitionsplanung für nicht realistisch!
Aber nehmen wir den Bereich Tiefbau mal unter die Lupe!
Seit 3. November vorigen Jahres liegt das Straßenzustandsgutachten vor mit dem Ergebnis, dass in den nächsten 10 Jahre mit jährlich 1 Mio€ der Zustand der Straßen so wie jetzt gehalten werden kann und 2 Mio€, um nach und nach den Zustand in den nächsten 10 Jahren zu verbessern.
Die geplanten 18 Mio€ stimmen damit aber nicht überein.
Ein solches Straßenzustandskataster wurde gemeinschaftlich durch alle Fraktionen vor etwa vier Jahren im Rahmen der Personal- und Organisationsanalyse beschlossen.
Also in der letzten Legislatur, wo die politische Arbeit mit wechselnden Mehrheiten stattfand und somit Politik noch vielfältiger gestaltet werden konnte.
Jetzt wird von der Kooperation aus CDU, Grünen und FDP alles weggestimmt, wo SPD oder auch Freie Wähler draufsteht.
Beispiele:
Fair Trade Gemeinde mit Kosten von 7.500 € jährlich
Erweiterung OGS-Beitragsfreiheit bis 30.000 €.
Vielleicht wird dann noch was anderes draus, aber eben nicht das, was die SPD-Fraktion mit dem Antrag bezwecken wollte.
Oder kürzlich die Debatte im HFA zu 2.000 € mehr für das Ehrenamt des Seniorenbeirats, wobei die Kooperation mit ihrem heutigen Antrag noch mal gerade die Kurve gekriegt hat.
Meinen ehrlichen Dank dafür von der SPD-Fraktion.
Glaubt hier eine oder einer von Ihnen, Männer und Frauen im Rat, dass mit diesen kleinen Ausgaben das Finanzdesaster verhindert werden kann?
Drittes Fazit: Im Klein-Klein-Denken der mehrheitlich dominierenden Kooperation kommen wir nicht weiter!
Aber was können wir tun?
Männer und Frauen der CDU und der Grünen,
machen Sie auf Ihre Parteifreunde im Kreis Druck und ersparen Sie uns den größten Teil der geplanten zusätzlichen 80 Mitarbeiter und damit einen Teil der 2 Mio€ höheren Kreis- und Jugendumlage.
Unser Appell:
Fordern Sie mit uns, dass alle Kreiskommunen und die Kreisverwaltung eine 10-Jahres-Planung erstellen und dann gemeinsam ggü. Bezirks- und Landesregierung auftreten.
Und machen Sie Druck auf Ihre Fraktionen im Landtag resp. der Landesregierung, endlich ihr Wahlversprechen einzuhalten, die Straßenausbaubeiträge komplett und dauerhaft zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger zu übernehmen.
Die NRW – SPD will dies seit Jahren, so wie es andere Bundesländer längst praktizieren.
Das erspart den Anliegern zwischen 2023 bis 2026 sehr viel Geld zumal die Grundsteuerreform ab 2025 und mögliche weitere Erhöhungen mit Kosten für die Hausbesitzer drohen.
Was ist noch möglich?
Die SPD-Fraktion fordert ein Finanzkonzept auf Basis der 10-Jahres-Planung das aufzeigt, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Maßnahmen zukünftig ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden kann z. B.:
mit dem Ausbau der Einnahmen aus Wertsteigerungsgewinnen bei Baugebieten, Akquirierung von Gewerbe, Steueranpassungen usw. aber auch Kostenreduzierungen durch interkommunale Zusammenarbeit, Ausbau der EDV-Nutzung oder andere Maßnahmen.
Auch das Gedankenspiel des Bürgermeisters durch Zusammenschluss von Gemeinden kann dabei kein Tabuthema sein. Obwohl – zweimal schlecht wird nicht automatisch gut!
Hören wir also auf mit den Erbsenzählereien!
Vor allem aber, lassen Sie uns im wiederzubelebenden Austausch der vorherigen Legislatur über alle Fraktionen hinweg, die Zukunft der nächsten 10 Jahre der Gemeinde wieder gemeinsam gestalten!
Wir stellen uns vor, die Finanzexpertise im AK Haushalt und Gebühren wieder neu zu beleben!
Wir danken der Verwaltung für die geleistete Arbeit und schlagen vor, den Entwurf des Haushalt 2024 wieder vor Weihnachten diesen Jahres einzubringen, um die Verabschiedung vor der fünften Jahreszeit zu ermöglichen.
Die SPD-Fraktion stimmt unter dem Vorbehalt des Haushaltsbeschluss im Hinblick auf den Entscheid zum 2. Bauabschnitt der Gesamtschule trotz aller vorhergehenden Bedenken und kritischen Aussagen dem vorliegenden Haushaltsplan diesmal noch zu!
Noch mal Trapattoni: Isch habe fertig!
Anträge und Initiativen der SPD-Kürten
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